Der Sinn von Achtsamkeitsmeditation Wir sind nicht die Architekten unserer Gedankenkonstruktionen. Wir sind in Denkgebäuden gefangen, die wir nicht konstruiert haben. Viele sind blind für ihre eigene Denktätigkeit und leben ihr Leben, ohne jemals einen Blick auf das eigene Denkgebäude geworfen zu haben. Wenn wir zu Architekten unseres Denkens und einer neuen Wirklichkeit werden wollen, müssen wir neue Netzwerke im Gehirn aktivieren. Durch Achtsamkeitsmeditation ist es sehr wohl möglich und auch sinnvoll, sein eigenes Denken von außen zu betrachten und neu zu konfigurieren. Der erste Schritt dazu ist die Erkenntnis, dass unser Gedankengebäude nicht von uns selbst erschaffen wurde, obwohl Gedanken genau das suggerieren. Es gibt übrigens kaum eine Erkenntnis in der neurologischen Forschung, die so allgemein anerkannt ist, wie die, dass ein Grossteil unserer Gedanken ausserhalb unserer bewussten Wahrnehmung abläuft. Das Gehirn ist ebenso wie der Körper ein sich selbst organisierendes System. Will ich Weisheit in mein Leben bringen, höre ich auf, den alten Gedankenmustern zu folgen. Bereits viele Kulturen vor unserer Zeit haben darauf hingewiesen, dass es im Leben hauptsächlich darum geht, sich selbst ist und seiner inneren Weisheit zu folgen und nicht den jeweiligen Konventionen, Glaubenssystemen, Ideologien oder dem normativen Zeitgeist. Kulturelle Muster sind temporäre Vereinbarungen, die für eine gewisse Zeit und einen gewissen Ort Gültigkeit haben, aber letztlich willkürlich sind. In der Schweiz gilt Tempo 80 auf der Landstraße, in Deutschland 100. Da ich im Grenzgebiet lebe, in denen die Grenzen sehr fragmentiert sind, muss ich darauf achten, ob ich 80 oder 100 fahre. Die Beschränkungen sind willkürlich und offensichtlich. Die Grenzen unseres Denkens in unserem Kopf sind auch willkürlich, aber weniger offensichtlich. Kulturelle Programmierungen und Beliefs, sowie die dazu gehörigen Verhaltensweisen, sind in neuronalen Netzwerken kodiert. Je mehr man sie befolgt, umso hartnäckiger graben sie sich in den Synapsen des Gehirns ein. Durch Achtsamkeit kann man lernen diese Prozesse zu „hacken“ und die Automatismen zu „decodieren“. Das ist weniger kompliziert, als eine neue Computersprache zu lernen, aber ähnlich aufgebaut. Der erste Schritt besteht darin, seine Gedanken zu beobachten und zu verstehen, dass auf einen Gedankenimpuls jeweils eine Handlung oder das Aussprechen des Gedankens folgt. Beispiel: Ich bekomme den Gedanken, dass Schokolade essen im Moment eine gute Idee wäre. Dem Gedanken folgt die Handlung. Ich gehe zum Schrank, hol mir die Schokolade oder wenn sie bereits vor mir liegt, greife ich jetzt zu und stecke mir ein Stück Schokolade in den Mund. Nach der Handlung erfolgt die Belohnung. Das Gehirn schüttet den Botenstoff Dopamin aus und belohnt mich. Diese synaptische Belohnung verstärkt, wenn sie öfters ausgeführt wird, die Häufigkeit des Gedankenimpulses, die anschließende Handlung und die Dopaminbelohnung. Es entsteht eine stärkere, neuronale Verbindung, bzw. Vorliebe für Schokolade, Rauchen, Alkohol, Zucker oder sonst etwas, das leicht zugänglich ist und sofortige Belohnung verspricht. Welches Gefühl oder Frust darunterliegen, wird so gut wie nie wahrgenommen. Auf diese Art und Weise entstehen Gewohnheitsmuster und Suchtstrukturen. Es geht hier nicht darum, neue Gedanken zu denken oder Gedanken zu verändern, sondern unsere grundsätzliche Beziehung zu Gedanken zu transformieren. Ein Gedanke ist zunächst nur ein Wort oder ein Bild in unserem Geist, bis er beginnt unser Handeln und unsere Kommunikation zu bestimmen. Auch Ängste, Wünsche oder Verlangen sind zunächst nur Gedanken, bis wir uns in die Identifikation mit ihnen hineinziehen lassen. In der Achtsamkeitsmeditation geht es darum, den Gedankenimpulsen genau diese Macht zu entziehen, sodass sie uns nicht mehr ins automatische, unbewusste Handeln verstricken können. Mein tägliches Trainingsprogramm, um Achtsamkeit zu üben, ist übrigens das Handy. Immer öfter gelingt es mir, wenn der Gedankenimpuls auftaucht, „check dein Handy!“, den Gedanken = Auslösereiz achtsam wahrzunehmen und ich kann die Handlung unterlassen. Dieser Gedankenimpuls kommt übrigens statistisch gesehen 90 Mal pro Tag vor, alle ¼ Stunde. Die Kunst der Achtsamkeit ist es, auf den Wellen dieser oder ähnlicher Gedankenimpulse surfen zu können, ohne ihnen ausgeliefert zu sein. Die Haltung dahinter sollte aber nicht „mentale Kontrolle“ sein, weil das würde wiederum das Gegenteil hervorrufen. Wer sich kontrolliert zurückhält, das zeigt die Forschung, der fällt anschließend umso hartnäckiger wieder ins alte Muster zurück, um sich für den vorherigen Verzicht zu belohnen, nach dem Motto: „Jetzt habe ich dem Impuls widerstanden, keine Schokolade gegessen oder zum Handy gegriffen; dafür kann ich mich dann nachher mich einer ganzen Tafel belohnen bzw. exzessiv meine eMails checken. Achtsamkeitsmeditation, regelmäßig praktiziert, unterstützt uns dabei, aus dem Teufelskreis unbewusster Handlungen und Suchtstrukturen auszubrechen, bzw. den Grad der Selbstbestimmung massiv zu erhöhen. Sie hilft uns dabei, neue neuronale Netzwerke im Gehirn aufzubauen und die Architektur unseres Denkens nachhaltig zu verändern. Erstes Ziel der Achtsamkeitsmeditation ist die Position des inneren Beobachters einzunehmen. Der hilft uns den Abstand vom eigenen Denken zu kultivieren, und damit die Beziehung zum Denken grundlegend zu transformieren. Gleichzeitig lernen wir auch, uns besser, d.h. tiefer zuzuhören und der „inneren Stimme der Weisheit“ zu folgen. Übrigens, in Stressmomenten kommen nur noch die alten Denkmuster zum Vorschein. Deshalb ist es wichtig, um die Stimme der Weisheit zu hören, zunächst den Körper und den Geist zu beruhigen. Das bedeutet, die Aufmerksamkeit von der äußeren, unmittelbaren Umgebung abzuziehen. Denn erst in der Stille, können wir nach Innen hören.